Seit Jahrzehnten gelten Bifidobacterium spp. als zentrale Bestandteile des menschlichen Darmmikrobioms. Mehrere Arten sind als förderliche Komponenten des kindlichen Mikrobioms bekannt und werden häufig über die Muttermilch übertragen. Studien haben gezeigt, dass bei Personen mit Stoffwechsel-, Darm- oder Immunkrankheiten ein Rückgang von Bifidobakterien auftritt. Dies hat dazu geführt, dass das Thema zunehmend in den Fokus der Forschung gerückt ist [1].
Der Anteil von Bifidobakterien im Darmmikrobiom Erwachsener kann bis zu 15 % erreichen; bei japanischen Probanden wurden sogar Werte von 17,9 ± 15,2 % berichtet – eine Variation, die sowohl durch genetische Faktoren als auch durch Umwelteinflüsse entsteht [1]. Auch die Geografie wirkt sich auf die Zusammensetzung des Mikrobioms aus: Studien zeigen, dass sich das Mikrobiom von Personen, die in ein anderes Land ziehen, langfristig an die mikrobielle Zusammensetzung der einheimischen Bevölkerung anpasst [2]. So konnte beispielsweise ein Verlust der Darmmikrobiom-Diversität beobachtet werden, wenn Personen aus nicht-westlichen Ländern in die USA umsiedelten – wobei die Dauer des Aufenthalts einen erheblichen Einfluss hatte [2].
Die Ernährung ist ein weiterer Schlüsselfaktor: In westlichen Ländern kommen aufgrund fettreicher, proteinreicher Kost häufiger Bacteroides vor, während in nicht-westlichen Ländern mit ballaststoffreicher Ernährung Prevotella dominiert [3]. Da die meisten Probiotika ursprünglich aus dem Magen-Darm-Trakt westlicher Populationen stammen, könnten sie für nicht-westliche Märkte weniger geeignet sein, da sich die Mikrobiome weltweit stark unterscheiden.
Um diesem Problem zu begegnen, isolieren und prüfen Wissenschaftler inzwischen Bakterien mit probiotischen Eigenschaften direkt aus dem Darmmikrobiom nicht-westlicher Bevölkerungen. Anfang dieses Jahres isolierten Li et al. Bifidobakterien aus 35 Stuhlproben chinesischer Probanden. Kriterien waren unter anderem Fermentationseigenschaften, antibakterielle Aktivität und Sicherheit [3]. Ausgewählte Stämme wurden zudem hinsichtlich ihres Fermentationspotenzials in Kuh- und Sojamilch untersucht. Dazu wurden Starterkulturen mit Streptococcus thermophilus und Lactobacillus delbrueckii eingesetzt und in einer Whitley A35 Anaeroben Arbeitsstation kultiviert, die strikte anaerobe Bedingungen für optimales Wachstum sicherstellte.
Insgesamt wurden 217 Bifidobacterium-Stämme isoliert, von denen 59,45 % zu B. longum gehörten. Besonders vielversprechend war B. longum ssp. longum IMAU12449, der ein hohes probiotisches Potenzial zeigte. Dieser Stamm überlebte zu 62,38 % in künstlichem Magensaft und zu 72,79 % in Darmsäften. Außerdem zeigte er eine antimikrobielle Wirkung gegen Escherichia coli, Staphylococcus aureus, Bacillus cereus, Shigella flexneri und Salmonella spp., wobei die stärkste Hemmung gegenüber B. cereus beobachtet wurde – einem häufigen Verderbniserreger von Milchprodukten, der Lebensmittelvergiftungen verursacht.
Bezüglich der Sicherheit von IMAU12449 wurden nur zwei Antibiotikaresistenz-Gene gefunden: eines mit 92,67 % Übereinstimmung zu rpoB (Rifamycin-Resistenz) und eines mit 91,29 % Übereinstimmung zu ileS (Mupirocin-ähnliche Resistenz). In Sensitivitätstests zeigte der Stamm Empfindlichkeit gegenüber acht Antibiotika, darunter Streptomycin, Tetracyclin und Ampicillin.
Auch in der Fermentation erwies sich IMAU12449 als geeignet: In fermentierter Kuh- und Sojamilch verbesserte er die Gelstruktur-Stabilität und erhöhte die Zahl lebensfähiger Zellen signifikant. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Stamm sowohl in Kuh- als auch Sojamilch gut wächst und diese als Träger für ein potenzielles Probiotikum genutzt werden könnten. Zusammen mit den weiteren positiven Eigenschaften sollte IMAU12449 daher intensiver erforscht werden – insbesondere mit Blick auf den Einsatz in nicht-westlichen Populationen, für die dieser Stamm ein vielversprechendes Probiotikum darstellen könnte.
Da Probiotika aus dem Magen-Darm-Trakt gesunder Menschen stammen, ist es entscheidend, repräsentative Bevölkerungsgruppen einzubeziehen, um die „mikrobielle Mischung“ für Probiotika breiter aufzustellen. Erste positive Ergebnisse aus solchen Studien geben Anlass zur Hoffnung, dass sich der Probiotika-Markt weiterentwickeln und künftig vielfältiger werden könnte – zum Nutzen aller Bevölkerungen, einschließlich nicht-westlicher Gesellschaften.
Referenzen
1. Derrien M, Turroni F, Ventura M, van Sinderen D. Insights into endogenous Bifidobacterium species in the human gut microbiota during adulthood. Trends in Microbiology. 2022 Oct;30(10):940–7.
2. Vangay P, J Johnson A, L Ward T, Kashyap P. US Immigration Westernizes the Human Gut Microbiome. Cell. 2018 Nov 1;175(4):962-972.e10.
3. Li Y, Fan Q, Dong H, Chang S, Liu W. Screening of potential probiotic Bifidobacteria from intestinal tract and its application in fermented milk. Journal of Dairy Science. 2025 Jun 11.